Wakkerpreis 2024

Plakat

Wir feiern – und wir feiern mit Euch! Der Schweizer Heimatschutz vergibt dieses Jahr den Wakkerpreis ans Baselbiet. Als Baselbieter Sektion freuen wir uns ganz besonders.

Was ist der Wakkerpreis? 

Seit 52 Jahren vergibt der Schweizer Heimatschutz jährlich den Wakkerpreis an eine politische Gemeinde oder andere Vereinigung für die «qualitätsvolle Weiterentwicklung und Aufwertung des Ortsbildes unter zeitgenössischen Gesichtspunkten». Unter den Ausgezeichneten sind so unterschiedliche Körperschaften wie idyllische Postkartendörfer, historisch gut erhaltene Kernstädte, ganze Talschaften, Kulturorganisationen und sogar die SBB. Die Kriterien basieren auf den Werten, für die sich der Heimatschutz einsetzt: der respektvolle Umgang mit dem gebauten Erbe sowie die qualitative Weiterentwicklung der wertvollen städtischen und ländlichen Räume.

Dieses Jahr schreibt der Schweizer Heimatschutz zum Wakkerpreis: «Gemeinsam erobern sich die zehn Gemeinden des Vereins Birsstadt ihre unkoordiniert gewachsene Landschaft in der Agglomeration Basel zurück. Die Grundlage für die Reparatur des Raumes legt die erfolgreiche gemeinde- und kantonsübergreifende Zusammenarbeit. Unter dem Dach eines Vereins werden die industrielle Vergangenheit weiterentwickelt, das stolze baukulturelle Erbe bereichert und der Naturraum gestärkt.»

Birsstadt: die Stadt, die auf keiner Landkarte zu finden ist

Die zehn Gemeinden der Agglomeration am Unterlauf der Birs schlossen sich 2018 zu einem Verein zusammen, um einen festen Rahmen für die Koordination der regionalen räumlichen Entwicklung zu schaffen. Es sind dies die Basellandschaftlichen Gemeinden (von Norden nach Süden) Birsfelden, Muttenz, Münchenstein, Reinach, Arlesheim, Aesch, Pfeffingen, Duggingen und Grellingen sowie die Solothurner Gemeinde Dornach. Insgesamt wohnen hier gegen 100'000 Menschen – oder ein Drittel des Kantons. Der Verein Birsstadt verhandelt und erarbeitet übergeordnete Strategien in den Bereichen Landschaft, Siedlung, Mobilität und Klimaadaption. In Kantonen, in denen die Eigenständigkeit der Gemeinden grossgeschrieben wird, ist dies keine Selbstverständlichkeit. Es brauchte die Herausforderungen der Gegenwart, damit sich die zehn Gemeinden aus dem Birseck, dem Laufental, dem Thierstein und dem alten Kantonsteil zusammenfanden. Lange waren sie durch ihre unterschiedliche Geschichte getrennt. Was vereint sie heute?

Es ist natürlich der Wasserlauf der Birs, der die Anrainergemeinden verbindet. Die Wasserkraft und die Nähe der Stadt Basel prädestinierte die Region schon früh für die Ausbreitung von Gewerbe und Industrie. Im 19. Jh. wurde der mäandrierende Fluss begradigt und kanalisiert. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie von Basel durchs Laufental nach Delémont entstand ein Industriegürtel von Grellingen bis zur Mündung des Flusses in Birsfelden. Zur Unterbringung der neu zugezogenen Arbeiterschaft entstanden unterschiedliche Formen von Arbeitersiedlungen. Anfangs 20. Jh. verbanden Vorortsbahnen, heute die gelben Tramlinien 10 und 11, die Gebiete beidseits der Birs mit Basel.

Bei all diesen Veränderungen blieben die Dorfkerne auf den Schotterterrassen beidseits des Flusses bis Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend intakt und durch landwirtschaftlich bebautes Land voneinander abgegrenzt. Die sonnenbeschienen Hänge blieben dem lokalen Rebbau erhalten. Es war erst der Boom der Nachkriegszeit, der die Birsstadt in jene Vorstadtagglomeration verwandelte, als die wir sie heute erleben. 

Die Stadtflucht und die Verdreifachung der Bevölkerung auf der Landschaft nach 1950, insbesondere im unteren Kantonsteil, führten zur  Ausbreitung eines zusammenhängenden, weitgehend unkoordinierten Siedlungsteppichs bis zur Talenge von Angenstein. Ehemalige Rebberge an den Hängen und insbesondere die aussichtsreiche Lage von Pfeffingen oberhalb von Aesch wurden von Villenquartieren überzogen. Hochleistungsstrassen durchschneiden den Raum. Das Birstal entwickelte sich so zu einem wichtigen Teil des Metropolitanraums Basel – zu einer Agglomerationslandschaft: nicht Stadt, nicht Land, nicht Vorort. Spätestens mit der Umstrukturierung durch die Deindustrialisierung der letzten Dekaden traten jene Defizite der Agglomerationsbildung und raumplanerischen Herausforderungen zutage, die die Gemeinden der Birsstadt erkennen liessen, dass eine Korrektur nur koordiniert bewältigt werden kann. 

Eine Auszeichnung für die Agglo: Wofür?

Eigentlich ist «Agglo» ein Schimpfwort geworden. Sie steckt irgendwo im Sumpf des Stadt-Land Grabens, nicht urban, nicht ländlich, eine Wucherung der fetten Boomjahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Resultat ist eine wenig attraktive Anordnung von Verkehrsachsen, Wohngebieten – mit Einfamilienhäusern und Wohnblöcken – Parkplätzen, Einkaufszentren, Gewerbe- und Industriearealen, Schulhäusern, Lagergebäuden und Brachen. Diese schnelle und verzettelte Verstädterung hat zu Umweltverschmutzungs- und Verkehrsproblemen mit direkten Auswirkungen auf die Lebensqualität geführt. Und doch ist die Agglomeration der Ort, wo die meisten Menschen im Kanton, aber auch in der Schweiz wohnen. Wegschauen ist nicht Heimatschutz.

Wofür aber die Auszeichnung?

Die mit der geschilderten Entwicklung verbundenen Herausforderungen haben die Erkenntnis ausgelöst, dass sie nicht nur Nachteile, sondern auch ebenso grosse Chancen für eine bauliche Weiterentwicklung in sich tragen. Drei wesentliche Elemente sollten zur gelungenen Reparatur des Agglomerationsraumes beitragen: die Aufwertung des Natur- und Lebensraums an der Birs, die sorgfältige Neu- und Umnutzung der verlassenen Industrieareale sowie die Sicherung und Stärkung des baukulturellen Erbes. 

  1. Landschaft als Rückgrat einer qualitätsvollen Siedlungsentwicklung:
    Mit der Revitalisierung und Aufwertung des Birsraums ist der Reparaturprozess und die Förderung der Biodiversität in der Siedlung angestossen worden. Damit wurde erstmals die Zusammenarbeit innerhalb des Agglomerationsraumes der Birsstadt getestet. Diese überkommunale Zusammenarbeit ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden.
  2. Qualitätsvoll den Bestand weiterentwickeln:
    Im Bereich Siedlungsentwicklung geht es auch um die Rückeroberung und Wiederbelebung des öffentlichen Raumes, der im Zeitalter der Entwicklung zur «autogerechten Stadt» abhandengekommen ist. Kurz: Es geht um die baukulturelle Reparatur und Rückeroberung der Agglomeration für die Öffentlichkeit.
  3. Umgang mit den Industriebrachen und dem kulturellen Erbe:
    Im Zusammenhang mit dem Wakkerpreis ist das Projekt «Umgang mit der Baukultur» entstanden. Wie soll das architektonische Gesicht der Birsstadt in Zukunft aussehen? Wo fühlen sich die Bewohnerinnen und Bewohner wohl und wo nicht, und was sind die Gründe dafür? Die Chancen, die sich durch die Auszeichnung ergeben, sind gross, und der Verein Birsstadt will diese Gelegenheit nutzen.

Herausforderungen und Chancen

Die Verleihung des Wakkerpreises durch den Schweizer Heimatschutz ist die Auszeichnung der bisher geleisteten Arbeit; die Annahme des Preises durch die zehn Gemeinden bedeutet für jede einzelne von ihnen die Verpflichtung, die baukulturelle Reparaturarbeit an der Agglomeration gegen alle Widerstände und Sonderinteressen aufzunehmen und weiterzuführen.    


Text: Hansjörg Stalder

Wakkerpreis

Wakkerpreis 2024 des Schweizer Heimatschutzes an den Verein Birsstadt
Mehr dazu auf der Website des Schweizer Heimatschutzes 

Verein Birsstadt

Die zehn Gemeinden Aesch, Arlesheim, Birsfelden, Dornach, Duggingen, Grellingen, Muttenz, Münchenstein, Pfeffingen und Reinach haben sich im Verein Birsstadt zusammengeschlossen.
Mehr dazu auf der Website des Vereins Birsstadt

Termine

Termine
22. Juni 2024: Preisverleihung auf dem Domplatz Arlesheim
14. August 2024: Gemeinsame Begehung der Birsstadt