Bautenprämierung
Sundgauerhof Arlesheim
Sundgauerhof Arlesheim nach der Restaurierung 2015. Foto: Roland Zumbühl

Auszeichnung 2015: Sundgauerhof Arlesheim

Unter dem Motto «Transformation» wird 2015 nicht eine Restaurierung per se, sondern eine sinnvolle Um- und Neunutzung im Bestand prämiert. Die Umbauten und die Neunutzung des Sundgauerhofs gehen respektvoll mit der Gebäudesubstanz um und muten dem Gebäude nicht mehr zu, als es erfüllen kann.

Der Sundgauerhof in Arlesheim belegt die Ausdehnung des historischen Ortskern in nordwestlicher Richtung. Das nachgotische Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert zeugt mit einem saalartigen Raum mit bemalter Balkendecke im Obergeschoss von einem Erbauer aus der dörflichen Oberschicht wohl aus dem Umfeld des damals zugezogenen Domkapitels. Es steht giebelständig an der Strasse und bildet mit der parallel dazu errichteten Stallscheune einen ebenso markanten wie malerischen Blickfang. Bei deren Bau um 1815 wurden Wohnhaus und Ökonomie rückwärtig mit einer Mauer verbunden und ähneln damit in der Struktur den Sundgauer Dreiseithöfen, wie sie in Allschwil und im Leimental zu finden waren oder noch sind. Die im Birseck aussergewöhnliche Bauform hat wohl zum Hausnamen geführt. Die Besitzaufteilung im 19. Jahrhundert bedingte eine neue Raumeinteilung und Erschliessung über die nun angefügte Trauflaube. Im Ökonomieteil wurde eine Werkstatt eingerichtet, die zu starken Veränderungen im Innern mit neuen Fassadendurchbrüchen und Eingriffen ins Dachwerk führten, die den Bau schliesslich an den Rand der Einsturzgefahr brachten.

Das von der Denkmalpflege genehmigte Restaurierungsprojekt führte zu Einsprachen, die durch Vermittlung des Baselbieter Heimatschutzes schliesslich abgewendet werden konnten. Insbesondere gelang es, die Bauherrschaft zum Verzicht auf volumetrisch markante Dachaufbauten zu bewegen und bei der Neunutzung der Scheune auf eine diskretere Gestaltung der Fenster- und Türöffnungen hinzuwirken. Die neue gemischte Nutzung von Gewerbe und Wohnen ist sinnvoll und dem Gebäude verträglich angemessen. Die historisch wertvolle Substanz wurde schonend und respektvoll behandelt und insbesondere die bemalte Balkendecke im Obergeschoss wieder zur Wirkung gebracht. Andererseits wurden auch die gestalterischen Freiheiten genutzt, die vor allem in der Scheune gegeben waren. Der Baselbieter Heimatschutz zeichnet unter seinem diesjährigen Motto nicht eine Restaurierung als solche aus, sondern eine sinnvolle Um- und Neunutzung im Bestand, die dem Gebäude nicht mehr zumutet, als es erfüllen kann, und respektvoll mit seiner Substanz umgeht.

Renovieren – restaurieren – weiterbauen an einem denkmalgeschützten Gebäude

Ein Gespräch zwischen Hansjörg Stalder (Baselbieter Heimatschutz) und Florian Rauch (Architekt) über den Umbau am Sundgauerhof in Arlesheim

Herr Rauch, Sie betitelten die Renovation mit «Weiterbauen am Sundgauerhof». Weshalb «Weiterbauen» und nicht «Renovation» oder «Restaurieren»?

Bei einer reinen Restaurierung wird unter Beibehaltung von möglichst viel vorgefundener Substanz vorsichtig repariert und aufgefrischt. Diese Haltung sowie der Respekt vor dem Vorgefundenen war auch beim Sundgauerhof der konzeptionelle Leitfaden. Darüber hinaus beinhaltet die Tätigkeit des «Weiterbauens» die Aspekte «Anknüpfen und Weiterentwickeln», und zwar auf eine selbstverständliche Art und Weise.

Das Gehöft hat im Laufe seiner Geschichte bereits sieben grössere bauliche Umgestaltungen erfahren. Grund dafür war nicht nur reiner Bauunterhalt, sondern grundlegende Nutzungsänderungen. Die Folge der Umbauten war jeweils eine Aufwertung und dadurch ein Weitergebrauch der Bausubstanz. Auf diese Art und Weise ist die Baustruktur bis in unsere Gegenwart gelangt. Wieso also nicht in der gleichen Selbstverständlichkeit «Weiterbauen», um neue Nutzungen zu ermöglichen, um einen Fortbestand dieser stark identitätsstiftenden Baugruppe zu gewährleisten?

Das überlieferte Denkmal Sundgauerhof ist die Summe aller Veränderungen. Das Wesen dieser Baustruktur ist also, dass man daran weiterbaut.
Wären Häuser Lebewesen, so würde man hier von einer «artgerechten Haltung» sprechen. Ein japanisches Sprichtwort sagt sinngemäss: «Tradition bedeutet nicht, die Asche aufzubewahren, sondern das Feuer am brennen zu halten».

 

Der Respekt vor der Geschichte und der Bausubstanz eines denkmalgeschützten Gebäudes steht in einem Spannungsfeld zu einer Neunutzung. Die Bäckerei mit Café, eine Maisonette-Wohnung gehobenen Standards und ein Fitness-Atelier haben alle wenig gemeinsam mit der Geschichte des Bauernhofs. Welche Überlegungen oder Sachzwänge führten zu dieser Lösung? 

Tatsächlich machen unsere heutigen Ansprüche an Haustechnik, Wärmeschutz und Bauphysik einen solchen Umbau zu einer hochkomplexen Aufgabe mit hohem Aufwand in der Planung und Umsetzung.

Was wäre aber die Alternative? Natürlich ist es besser, wenn eine Scheune unbeheizt bleiben kann. An dieser prominenten Zentrums-Lage ist dies ein wünschenswertes, aber kein realistisches Szenario. Ganz nüchtern betrachtet ist der Ertragswert einer solchen denkmalgeschützten Immobilie geringer, als wenn das Grundstück mit einer im Zentrum üblichen Ausnutzung neu bebaut werden könnte. Als Glücksfall muss also gesehen werden, dass die Bauherrschaft das Denkmal Sundgauerhof mit seinem Potential und den Möglichkeiten einer Weiternutzung sehr hoch bewertet hat. Hat man sich für ein solches Konzept entschieden, ist die entscheidende Frage nicht, ob, sondern in welcher Art und Weise und mit welcher Sorgfalt solche Umnutzungs- und Weiterbau-Eingriffe vonstatten gehen. Das wiederum hat die Arbeit am Sundgauerhof so spannend gemacht. Im Übrigen sind die heutigen Nutzungen keineswegs unpassend.

Die horizontal geteilte Gebäudestruktur im Wohnhaus und das Ein-Raum-Kontinuum in der Scheune konnten beibehalten werden. Darüber hinaus ist wieder ein Nutzungsmix entstanden, wie er mit Wohnhaus, Schreinerei und Lager vor der Umgestaltung auch schon in anderer Form existiert hat.

 

Der Substanzschutz steht oft nicht in einem ganz einfachen Verhältnis zu einer umweltgerechten energetischen Sanierung. Wie haben Sie diesen Spagat geschafft?

Da auch die benachbarten Liegenschaften im Besitz der Bauherrschaft stehen, konnte ein kleines Erdnahwärmenetz gebaut werden. Die Erdwärme ist ein regenerativer Energieträger, deshalb konnte bei der Brauchwassererwärmung auf eine Dach-Solaranlage verzichtet werden.

Im Bereich der Bodenaufbauten gegen Erdreich und Keller konnten die geltenden gesetzlichen Vorschriften ohne Probleme erfüllt werden. Ebenso bei den neuen Fenstern, Türen und beim Scheunenwindfang. Die bestehenden historischen Fenster des Wohnhauses wurden durch ein im Ladenfalz angeordnetes Vorfenster thermisch verbessert. Bei den Dächern von Wohnhaus und Scheune wurde eine denkmalpflegerisch verträgliche Lösung mit minimalem Dachaufbau bei möglichst hoher Dämmwirkung gesucht. Um dem Wunsch des Amtes für Umwelt und Energie nach möglichst hoher Energieeffizienz nachzukommen, wurden die Giebelwände des Wohnhauses im Dachgeschoss sowie die Aussenwände der Scheune thermisch verbessert, jeweils abgestimmt auf die spezifische Bausituation. Das Gebäude ist im Bezug auf seinen Energieverbrauch zwar nicht Label-zertifiziert, aber es konnten sehr gute Werte erreicht werden. Das liegt natürlich auch an der kompakten Bauweise, die die Kubaturen mitgebracht haben.

Publikation

Sundgauerhof Arlesheim
400 Jahre Ortsgeschichte aus der Perspektive eines Gebäudes

Von Jürg Seiberth, Heinz Burgener, Arlesheim (Hrsg.)
Edition Text und Media